100 Jahre Fußball in Herzberg

Heimatkalender für die Region Herzberg 2007 - 100 Jahre Fußball in Herzberg

Die Geschichte des Herzberger Fußballs ist eng mit der des Vereins für Bewegungsspiele (VfB) verbunden. Am 11. Mai 1907 unter dem Namen "Viktoria" gegründet und ein Jahr später, am 24. Juni 1908, umbenannt in Verein für Bewegungsspiele war er die Heimstätte der Fußballer und Leichtathleten.

Worüber soll man berichten, wenn es um die einhundertjährige Geschichte des Herzberger Fußballs geht. Die Aufarbeitung hat erst begonnen, es klaffen noch große Lücken und vieles ist in Vergessenheit geraten. Die großen Fußballklubs präsentieren sich zumeist mit Jahreszahlen, in denen bedeutende Meistertitel und Pokalsiege errungen wurden. Auch in der frühen Vereinsgeschichte des VfB gibt es ein solches Jahr, und zwar die Saison 1929/30.

In der Mitgliederversammlung am 19. November 1929, anwesend 32 Mitglieder, nimmt der 2. Schriftführer Wilhelm Schwarz zum Tagesordnungspunkt 4 "Sportliches" folgendes zu Protokoll:
"Der Sport im VfB ist auf der Höh" - so sagt Herr Winzer, und er hat recht, denn sämtliche Mannschaften stehen an aussichtsreicher Stelle. Herr Kühnberg erhält das Wort und streift in kurzen Worten die letzten Spiele, und kommt auf das Gaupflichtspiel am 15. Dezember gegen Vorwärts Falkenberg zu sprechen. Er sagt dazu, dass wir an dem Tage mit unserer besten 1. Mannschaft antreten, um das letzte Resultat zu korrigieren und auch einen moralischen Sieg zu feiern, denn das sind wir unserem Publikum schuldig. Er ermahnte die Spieler mehr Disziplin zu üben und fest zusammen zu stehen, damit in diesem Jahre die Gaumeisterschaft nach Herzberg geholt würde. ..."

Am Samstag, dem 14. Dezember 1929 findet man in der Zeitung für den Kreis Schweinitz Nr. 294 folgende Ankündigung:
Der Entscheidung entgegen.
Vorwärts I Falkenberg - VfB I Herzberg

Sollten es die Witterungsverhältnisse zulassen, wird mit dem morgigen Sonntag, auch die 2. Runde der diesjährigen Fußballverbandsspiele in der 1. Klasse beendet. Dass die Entscheidung in der Gaumeisterschaft erst in dem Schlussspiel fallen wird, haben wohl die wenigsten erwartet. In Falkenberg stehen sich nachmittags 2 Uhr die beiden ersten Mannschaften von Vorwärts und VfB gegenüber. Sollten beide Vereine ihre besten Vertretungen zur Stelle haben, werden die Mannschaften wie folgt spielen:

Während bei den Bewegungsspielern die Stärke in der Hintermannschaft liegt, sind die Falkenberger in der Stürmerreihe leicht im Vorteil. Die Siegesaussichten beider Mannschaften sind gleichgut - Die 2. Mannschaft und die 1. Jugendmannschaft sind spielfrei. ww.

Am folgenden Dienstag berichtet das Schweinitzer Kreisblatt über dieses Ereignis. Um den Stil der damaligen Sportberichterstattung zu verdeutlichen und um dem Leser dieses wichtige Zeitdokument nicht vorzuenthalten, sei es an dieser Stelle zitiert:
VfB. I Fußball-Meister des Elbe-Elster-Gaues.
VfB. I schlägt Vorwärts Falkenberg 3 : 2 (1 : 1)

Die Entscheidung in der Fußballmeisterschaft des Elbe-Elster-Gaues ist gefallen! Die hiesigen Bewegungsspieler, denen sich zum ersten Male die große Chance zur Erringung der Gaumeisterschaft bot, haben nach einem überlegen durchgeführten Spiel, das vollends auf Tempo abgestimmt war, den Sieg über Vorwärts Falkenberg errungen.
Trotz des unbeständigen Wetters war eine große Zahl der hiesigen Sportanhänger teils per Bahn, Fahrrad und Auto - sämtliche Mietwagen waren vergeben - nach Falkenberg geeilt, um Zeuge dieses Großkampfes zu sein. Und sie wurden nicht enttäuscht.

Walter Wallmann

Das Spiel begann mit dem Anstoß der Bewegungsspieler. Schon die ersten Minuten zeigten, dass die Umstellung der Mannschaft mit Braunhold II in der Mitte und Wallmann und Lehmann II in der Verbindung glücklich gelöst war; denn Angriff auf Angriff wurde gegen das Vorwärts-Tor vorgetragen. In der 8. Minute bot sich die erste Chance. Etwa 30 Meter vor dem Falkenberger Tor erhielt VfB einen Strafstoß zugesprochen, den Wallmann mit scharfem Schuss gegen die Querlatte jagte. Die VfB'er waren weiterhin tonangebend - sie spielten zweckmäßiger. Nach einem schnellen Zickzack vor Blaue's Tor wurde Wallmann der Ball zugepasst, der aus dem Hinterhalt in die untere linke Ecke zum Führungstor für VfB einschoss. Der weit über das Spielfeld brausende Torruf zeigte die Zahl der Herzberger Anhänger an. - Waren bisher die Bewegungsspieler im Vorteil, so schien sich jetzt das Blatt zu wenden. Hatte man sich zu sehr ausgepumpt oder gar nur nach dem Führungstor gekämpft? Eine große Schwächeperiode machte sich bemerkbar, die ihren Höhepunkt fand, als Vorwärts nach einem Strafstoß den Ausgleich herstellte. Bange 20 Minuten hatten die VfB'er zu überstehen. Erst der Halbzeitpfiff brachte wieder Beruhigung - auch für den Zuschauer.
Der Beginn der zweiten Halbzeit ließ auf eine Niederlage schließen. Doch der sich mit aller Energie einsetzende Braunhold II schoss "sein Tor". Der Bann war gebrochen. Der restliche Teil des Spiels gehörte wieder den Bewegungsspielern, umsomehr, als sich die vorgenommene Umstellung der Vorwärts-Elf nicht besonders günstig für sie auswirkte. Eine Vorlage wurde von Lehmann Erhard verfolgt und ehe Blaue den Ball erwischen konnte, hatte ihn Lehmann zum dritten Tore eingesandt. Der Sieg war damit sichergestellt. - Etwa 5 Minuten vor Schluss war Vorwärts gut durchgekommen; Blüthgen konnte in höchster Gefahr den Ball nur noch zu Born zurückgeben, der den etwas scharf kommenden Ball gegen den Pfosten parierte. Der Schiedsrichter entschied Tor für Vorwärts. Wenig Beifall; denn selbst die Gastgeber waren über diese Entscheidung enttäuscht. VfB hatte inzwischen die Hintermannschaft durch Wallmann verstärkt, um so den Vorsprung zu halten. Beim Schlusspfiff begrüßte ein ungeheurer Beifallssturm den neuen Gaumeister!
Der Sieger kämpfte aufopfernd. Born, wie immer, blitzschnelles Erfassen der Lage und sicher im Fangen; Zimmermann, der mit diesem Spiele eine zehnjährige Tätigkeit in der 1. Elf abschloss, und sein Partner Braunhold I spielten ohne Fehler und waren nur schwer zu überwinden; die Läuferreihe mit Blüthgen-Richter-Lehmann I hatte schwere Arbeit zu leisten, um den flinken Vorwärts-Sturm in Schach zu halten; die sonst unbeständige Stürmerreihe enttäuschte nach der angenehmen Seite und hat am Sonntag wohl ihr bestes Spiel gezeigt. Vorwärts verfügte über einen sehr guten Sturm und ein sicheres Schlussdreieck, während die Läuferreihe stark abfiel.
Beim Eintreffen der Mannschaft in Herzberg wurde dem Spielführer Wallmann von befreundeter Seite eine schöne Blumenspende überreicht, der am Abend eine zweite folgte. Glückwunschschreiben gingen ein; u. a. ein solches der 1. Handball-Elf des hiesigen Turn- und Sportvereins, das bei der Bekanntgabe besondere Freude auslöste. - Abends fanden sich die Sportler zu einem gemütlichen Beisammensein im Vereinslokal zusammen, wobei des öfteren in schwungvollen Reden des großen Erfolges gedacht wurde. ww.

Die Tabelle nach den letzten Spielen am 15. Dezember 1929:

Vereine Spiele gew. unentsch. verloren Tore Punkte
VfB-Herzberg 14 11 1 2 39 : 18 23 : 5
Vorwärts-Falkenberg 14 9 1 4 37 : 27 19 : 9
VfB-Hohenleipisch 13 7 1 5 37 : 37 15 : 11
Preußen-Biehla 13 7 - 6 34 : 29 14 : 12
Spielvereinigung-Bockwitz 13 4 3 6 32 : 27 11 : 15
Sportfreunde-Torgau 14 4 2 8 26 : 47 10 : 18
Hartenfels-Torgau 12 3 1 8 15 : 25 7 : 17
Fortuna-Mückenberg 13 3 1 9 16 : 28 7 : 19

(Schweinitzer Kreisblatt. Nr. 295, Herzberg (Elster),
Dienstag, den 17. Dezember 1929. 99. Jahrgang)

Das Kürzel "ww." steht wohl für den damaligen Vereinsvorsitzenden Willi Winzer, der hier mit der Pressearbeit beauftragt war. Als Vereinslokal fungierte in dieser Zeit das Hotel "Zur goldnen Sonne" am Herzberger Marktplatz.


VfB Herzberg I 1930 in Dommitzsch
stehend v. l. n. r.: Betreuer Alfred Gruner, Erwin Braunhold, Paul Hillmann, Wilhelm Kutz, Kurt Lehmann, Erhard Lehmann, Wilhelm Born, Hermann Deininger, Erich Braunhold, Gustav Zimmermann, kniend v. l. n. r.: Oskar Geyer, Richard Blüthgen, Wilhelm Bock

Als interessantes Detail ist ein Bericht über das Eisbeinessen am 11. Januar 1930 anlässlich der Meisterschaft im oben genannten Vereinslokal überliefert.

Otto Frenzel

So ließ sich der Sportfreund Otto Frenzel, als die 1. VfB-Elf 1929 in die Verbandsspiele ging, zu der Aussage hinreißen: "Wenn die 1. in diesem Jahr die Meisterschaft macht, gebe ich ein Eisbeinessen für dieselbe." Ob das die Hauptmotivation war oder nicht, sei dahingestellt. Jedoch wird behauptet, dass noch nie eine so gute Mannschaft vom VfB auf dem Platz stand wie in diesem Spieljahr. Trotz aller Hindernisse konnte die Gaumeisterschaft errungen werden. Die Freude im Verein war groß. Es wurde beschlossen, die Feier im großen Stil aufzuziehen und alle Mitglieder, sowie den Bürgermeister Sourell, Rektor Schröder und andere Herren, die bei Spielen auf dem Platz ihr Interesse am Fußball bekundeten, einzuladen. So gab es nicht ein Eisbeinessen für die 1. Elf sondern für den ganzen Verein. An diesem nahmen ungefähr 100 Personen teil. Das Essen kostete 1,50 Mark und die Getränke waren frei. Der Vereinswirt Moritz Kunze hatte gegen den ersten Durst zirka 150 Liter Bier gestiftet, die jedoch nicht ausreichten, so dass die Vereinskasse noch mit weiteren 150 Liter Bier einspringen musste, die dann auch restlos ausgetrunken wurden.
Nach der Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden, der Festrede und dem Essen wurde bei einigen humoristischen Vorträgen ausgelassen gefeiert, wobei berichtet wird, dass "sich verschiedene Herren auf der Bühne auch als Solotänzer zeigten".


Blick in den Saal im Hotel "Zur goldnen Sonne"

Zu der folgenden General- und Wahlversammlung am 18. Januar 1930 gingen weitere Glückwünsche zur Erringung der Gaumeisterschaft ein. Darunter vom Fußballklub in Prettin, "Vorwärts" Falkenberg, "Preußen" Biehla, "Phönix" Liebenwerda, "Preußen" Langensalza, "Sportfreunde" Torgau und von den Herren Deutschmann und Kunz als Mitglieder des Gauvorstandes.

Der neu gewählte Vorstand des Vereins für Bewegungsspiele, der im wesentlichen zum Vorjahr unverändert blieb, hatte folgende Besetzung der einzelnen Ämter:
1. Vorsitzender: Willi Winzer 2. Vorsitzender: Otto Frenzel
1. Schriftführer: Richard Göhre 2. Schriftführer: Wilhelm Schwarz
1. Kassierer: Ewald Mahlow (vorher Paul Diere)
Nebenkassierer: Karl Prinz, Willi Winzer, Bruno Lorenz, Franz Graßmann
1. Jugendleiter: Otto Benning Helfer: Hans Geyer, Paul Zander
Ballwart: Franz Caspar Gerätewart: Paul Kienöl
Leichtathletikausschussvorsitzender: Hans Müller
Leichtathletikausschuss: Kurt Lehmann, Franz Caspar, Hans Görner
Spielausschussvorsitzender: Franz Kühnberg
Spielausschuss: Richard Göhre, Karl Kunze
Vergnügungsausschuss: Otto Frenzel, Paul Diere, Willi Winzer, Hans Görner,
Paul Hoy, Bruno Lorenz, E. Müller
Spielführer I. Elf: Walter Wallmann
Spielführer II. Elf: Ernst Kienöl

Die Gaumeister der 1. Klasse des Elbe-Elster-Gaues seit seiner Neugründung 1919 bis 1930:
1919/20 Sportfreunde Torgau
1920/21 Sportfreunde Torgau
1921/22 Fortuna Mückenberg
1922/23 Vorwärts Falkenberg
1923/24 Preußen Biehla
1924/25 Preußen Biehla
1925/26 VfB Hohenleipisch
1926/27 Vorwärts Falkenberg
1927/28 Preußen Biehla
1928/29 Preußen Biehla
1929/30 VfB Herzberg

Die Meisterschaft 1929/30 durch den VfB Herzberg war gleichzeitig die letzte des Elbe-Elster-Gaues in der bisherigen Gliederung des Verbandes Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine (VMBV). Die Anzahl der Gaue im VMBV wurde 1930 reduziert, wobei der VfB Herzberg dem Muldegau zugeordnet wurde.
Die Aufarbeitung der Herzberger Fußballgeschichte ist im vollen Gange und soll ihren Niederschlag in einer ausführlichen, umfangreich bebilderten Dokumentation finden. Zur Mitwirkung sind alle aufgerufen, die einen Beitrag dazu leisten möchten, Licht in das Dunkel dieses bedeutenden Vereins unserer Heimatstadt zu bringen.

Jürgen Schulze
Kultur- und Heimatverein Herzberg/Elster e. V.

VfB Herzberg 68 e. V.


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