Richard Graßmann
- Zugmittel für viele Vereine
Zum Abschluss der Artikelserie
im Jubiläumsjahr "100 Jahre Fußball in Herzberg"
sei an einen, wenn nicht den bedeutendsten Sportler des VfB Herzberg
erinnert. Die Rede ist von Richard Graßmann, dem ältesten
der fünf Graßmann-Brüder aus der Apothekergasse.
v.l.n.r. Emil Kaiser, Richard Graßmann im Leichtathletikdress
des VfB und Gustav Zimmermann in den 1920er Jahren
Seine einzigartige sportliche Läufer-Karriere begann 1920.
Das Schweinitzer Kreisblatt vom 3. August.1920 berichtet: "Der
in Sportskreisen bestbekannte Langstreckenläufer, Herr Richard
Graßmann, vom hiesigen Verein für Bewegungsspiele vollbrachte
gestern seine Glanzleistung. Als erster und einziger Teilnehmer
vom genannten Verein bei Austragung der Mitteldeutschen Leichtathletik-Meisterschaften
in Dresden ging Herr Graßmann beim 5000 Meter-Laufen in der
sehr guten Zeit von 15 Min. 9 Sek. als erster Sieger hervor und
erwarb damit den Titel eines Mitteldeutschen Meisters für 1920/21."
In einem ausführlicheren Bericht über diese Mitteldeutschen
Meisterschaften las man am folgenden Tag: "R. Graßmann
vom VfB Herzberg (Elster) schlägt beim 5000 m-Laufen den bisherigen
deutschen Rekord mit 15 Min. 9 Sek.
... Die Leistungen waren trotz des nasskalten Wetters im allgemeinen
recht gut. Dass ein neuer deutscher Rekord aufgestellt wurde, entschädigte
alle Zuschauer für das allzu reichliche Nass von oben. Herr
Graßmann-Herzberg brauchte nur 15 Min. 9 Sek. für die
5000 Meter und ließ die beiden Favoriten Eiselt-Chemnitz und
Tschaber-Dresden weit zurück. Er lief das Rennen völlig
verhalten und kam sehr frisch am Ziele an. Erwähnt sei, dass
Herr Graßmann den bisherigen deutschen Rekord, welchen vor
kurzem der westdeutsche Meisterläufer Bedarff-Düsseldorf
mit 15 Min. 50,2 Sek. aufstellte, um 41 Sekunden verbesserte."
(Bemerkt sei an dieser Stelle, das der 5000-Meter-Lauf erstmals
1912 im Programm der Olympischen Spiele stand. Der Finne Hannes
Kolehmainen gewann ihn in 14:36,6 Minuten. Ins Programm der Deutschen
Meisterschaften kam der 5000-Meter-Lauf erstmals 1919. In der Entwicklung
der Deutschen Leichtathletik-Rekorde findet man leider nur die Bestzeiten
von Emil Bedarff aus den Jahren 1922 und 1923, die aber bereits
von Richard Graßmann 1920 unterboten wurden.)
Damit qualifizierte sich der Herzberger für die Deutschen Meisterschaften,
die 14 Tage später ebenfalls in Dresden statt fanden. Das Schweinitzer
Kreisblatt von 17.08.1920 berichtete:
"Deutsche leichtathletische Meisterschaften am 14. und 15.
August in Dresden. Der mitteldeutsche Meister im 5000 m-Lauf R.
Graßmann vom VfB Herzberg (Elster) 2. Sieger.
... Der 5000 Meter-Lauf erfolgte genau zur festgesetzten Zeit 5.25
Uhr nachmittags. Graßmann hatte bis zu dieser Zeit viele Unterredungen
mit den führenden Personen des Verbandes Mitteldeutsche Ballspielvereine
(Athletik-Ausschuss). Gemeldet waren für diese Konkurrenz 12
Teilnehmer, wovon nur 8 Mann starteten, die anderen verzichteten
auf die Teilnahme, da nur die drei Favoriten Bedarff-Düsseldorf,
Krümmel-München (Verteidiger der Reichs-Laufmeisterschaft
von 1919) und Graßmann als Haupt in Frage kamen.
Krümmel und Bedarff übernahmen sofort die Führung,
ihnen schloss sich als dritter Krupski-Charlottenburg, als vierter
Graßmann an. Diesen Lauf führte Graßmann bis ungefähr
3500 Meter aus, dann konnte er seinen 1. Vorläufer, Krupski,
überholen und ungefähr 200 Meter vor dem Ziel den vorjährigen
Meister Krümmel abfertigen, so dass Graßmann als zweiter
Sieger mit 16,4 Min. hinter Bedarff durchs Ziel ging unter tosendem
Beifall der Zuschauermenge und der Sportskollegen. Man konnte überall
vernehmen, dass Graßmann, falls er technisch die Ausbildung
wie Bedarff habe, wohl bestimmt als Erster das Ziel erreicht hätte,
so dass man mit Bestimmtheit behaupten kann, dass Graßmann
die beste Größe Deutschlands ist. ..."
Das die Leistungen von Richard Graßmann nicht unbemerkt blieben,
beweist ein Artikel im Schweinitzer Kreisblatt vom 29.08.1920:
"Leichtathletischer Länderwettkampf. R. Graßmann
vom VfB Herzberg belegt den 5. Platz im 10000 Meter-Laufen beim
Länderkampf Estland, Finnland, Norwegen, Spanien und Deutschland.
...Trotz des schlechten Wetters hatten sich gegen 6000 Zuschauer
auf dem Teutonia-Sportplatz in Alt-Moabit eingefunden, um Zeugen
der spannenden Kämpfe zu sein. ... Das 10000 Meter-Laufen gelangte
als letzte Konkurrenz erst in 8. Stunde zur Austragung. Bei diesem
Lauf startete unter den 18 Teilnehmern auch der Weltmeister Kolehmainen-Finnland,
der jedoch das Rennen bei 3000 Meter aufgab, sowie weitere ausländische
Läufer. Herr Graßmann passierte als Fünfter das
Ziel nach flottem Tempo in der glänzenden Zeit von 34 Minuten
6 Sekunden. Zu beachten ist, dass Herr Graßmann sich zum ersten
Mal an dieser Konkurrenz nach nur einmaligem Training beteiligte,
während er sonst nur im 5000 Meter-Lauf kämpfte. ... Herr
Graßmann wird sich am 5. September erneut an den internationalen
Wettkämpfen des Sportklubs Charlottenburg beteiligen und diesmal
im 5000 Meter-Lauf die deutschen Farben zu vertreten haben."
Richard Graßmann wurde zum Zugmittel vieler Vereine und es
gab keine größere Veranstaltung, die nicht seinen Namen
in der Teilnehmerliste aufwies.
Weitere bekannte Erfolge:
1921 Mitteldeutscher Meister im 5000 Meter Laufen in Erfurt,
1921 2. Platz bei den Deutschen Meisterschaften über 5000 Meter
in Hamburg, wieder hinter dem Vorjahrsmeister Bedarff,
1924 Deutscher Waldlaufmeister in Fürstenberg bei Berlin
Im August desselben Jahres brachte er es dann noch fertig, seinen
bis dahin schärfsten Konkurrenten Bedarff bei der Austragung
der Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Stettin zu bezwingen
und auch über die Laufstrecke von 10000 Metern "Deutscher
Meister" zu werden.
1925 erneut Deutscher Waldlaufmeister in Bergedorf bei Hamburg
Der sensationelle Erfolg von Richard Graßmann bei den mitteldeutschen
Meisterschaften 1920 beflügelte den Heimatdichter Otto Horeck
so sehr, das er ihm bereits wenige Tage später ein Gedicht
widmet, das in Auswertung des zur gleichen Zeit stattfindenden Schützenfestes
veröffentlicht wurde. Im Schweinitzer Kreisblatt vom 8. August1920
heißt es:
Dem Meisterläufer.
Zu Dresden kam es jüngst ins
Reine
Bei einem sportlichen Vergleich:
In Herzberg gibt's die schnellsten Beine
Im ganzen, großen Deutschen Reich.
Ich hört's und stutzte eine
Weile:
Bei uns herrscht doch Gemütlichkeit!
Nur die Barbiere haben Eile,
Und allen andern haben Zeit.
Doch schwand mein Zweifel unter
Niesen
Als jeder Spatz vom Dach er rief:
Piep! - Richard Graßmann hat's bewiesen,
Der flinker als ein Hase lief!
Ja der! - Da glaubt ich es geschwinde,
Denn dreimal läuft der muntre Held,
Um unsern Wall, indeß im Winde
Ne Pflaume von dem Baume fällt.
Und wisst Ihr nun, warum die Leute,
In Herzberg plötzlich flotter gehen?
Warum sogar die Schützen heute
Nicht mehr beim alten Tempo stehn?
Der Stolz beflügelt ihre Schritte,
Sie wahren Herzbergs jüngsten Ruhm.
Ihr wackren Schützen, ehrt, ich bitte,
Auch dadurch Graßmanns Heldentum.
Daß Ihr die Apothekergasse
In flottem Zuge durchmarschiert,
Damit der Meister, Ihr Insasse,
Auch Eure Anerkennung spürt! -
Du aber, Deines Sports ein Riese,
Held Graßmann, sei gegrüßt auch mir!
Was Du errangst auf Dresdens Wiese,
Sei's eingedenk! Erwarbst Du hier.
Hier sei auch neuen Ruhms ein Häuser!
Manch andre Probe noch besteh'!
Heil Deutschlands allerbestem Läufer!
Heil dem Vereine "V. f. B."