100 Jahre Fußball in Herzberg

Nachwuchsarbeit im Verein für Bewegungsspiele

In Zeiten geburtenschwacher Jahrgänge, Problemen mit Lehrstellen- wie Arbeitsplatzangeboten und dem allgemeinen Rückgang der Einwohnerzahlen in den hiesigen Städten und Dörfern steht die Nachwuchsarbeit in unseren Vereinen vor harten Bewährungsproben. Mannschaftsbildungen über Vereinsgrenzen hinweg, Abwerbungen von Spielern und frühzeitige Bindung jüngster Talente an die Vereine stehen auf der Tagesordnung.

Auch diese Probleme sind nicht neu. Der Verein für Bewegungsspiele hat bereits im Jahre 1921 eine Knabenabteilung ins Leben gerufen und mit großem Erfolg aufgebaut. Denn schon am 3. Juli 1921 berichtet die Zeitung für den Kreis Schweinitz über ein Spiel zwischen VfB Knaben und der 2. Jugendmannschaft des VfB. Da es offensichtlich noch an gleichaltrigen Spielpartnern fehlte, musste die zwar körperlich stärkere 2. Jugend herhalten und sich dennoch den Knaben mit 3 : 0 geschlagen geben.
Auch in die Leichtathletik wurde der Nachwuchs einbezogen. So veranstaltete der VfB 1921 einen gesonderten Knabensporttag, wo die Vereinsjüngsten in den Disziplinen Hochsprung, Weitsprung, 50-Meter-Lauf, Crickettballwerfen, und im 50-Meter-Fußballschnelllauf ihre Kräfte messen konnten. Etwa 40 Knaben hatten sich dazu auf der Färberwiese im Stadtpark eingefunden. Namen wie Willi Bock, Erhard Lehmann, Hans Richter, Hermann Deininger Walter Krieg, Oskar Geyer oder Wilhelm Kutz zeugen durch die späteren großen Erfolge davon, dass diese Arbeit nicht um sonst gewesen ist.

Neben dem Verein für Bewegungsspiele eiferte auch der hiesige Turn- und Sportverein um die Gunst des Nachwuchses mit verschiedenen Werbeveranstaltungen. Für die Fußballgeschichte interessant ist ein vom VfB Herzberg organisierter öffentlicher Sport-Filmabend, worüber ausführlich in der lokalen Presse geworben und berichtet wurde.
Zur Vorführung gelangte der Fußball-Lehrfilm vom Verband Mitteldeutscher Ballspiel-Vereine "Girulatis" in drei Teilen mit einem erläuternden Vortrag. Hinter "Girulatis" verbirgt sich der Name eines bekannten deutscher Fußballtrainers und Sportlehrers an der Hochschule für Leibesübungen in Leipzig, Richard Girulatis (1878-1963), der durch sein meist fälschlich Sepp Herberger zugeschriebenes Zitat "Elf Freunde müsst Ihr sein!" (aus seinem Buch "Theorie, Technik, Taktik" von 1920) noch heute aktuell ist. Zweck und Ziel war es, 1922 darüber aufzuklären, "dass in erster Linie die Sportvereine dazu berufen sind, durch die Pflege der Körperkultur einen gesunden Nachwuchs heranzubilden. Dies aber kann nur erreicht werden, wenn sich die deutsche Jugend, die durch den langen Krieg und Unterernährung besonders gelitten hat, restlos, ohne Standesunterschied, dem Sport und Spiel annimmt." Man hatte nach dem 1. Weltkrieg richtig erkannt, dass "das Militär als großer Volkserzieher für unser deutsches Volk nicht mehr in Frage kommt". Der Eintritt war frei, um jeden die Teilnahme zu ermöglichen. Zusätzlich gab es für die Schuljugend am folgenden Montag eine Sondervorführung.
Der Vereinsvorsitzende Willy Winzer hielt die Ansprache, in der der folgenden flammenden, fast poetischen Appell für den Sport enthalten ist:
"Jugend, dir gilt zuerst der Mahnruf, auf deinen Schultern wird Deutschlands schwere Last zuerst gelegt, du hast sie von den Lebenden am längsten zu tragen. Darum stähle dich Jugend, wirf ab Bequemlichkeit und satte Ruhe, echte deutsche Jugend sitzt nicht hinter dem Ofen, nicht in verräucherten Wirtshäusern; Jugend stürmt hinaus auf den grünen Plan wie in das Leben, sonst wäre es keine Jugend und besonders keine deutsche. Nur ein Spiel gibt es, das der Jugend kampflustigem Sinn entspricht, das Männer üben und selbst die Alten begeistert: das Fußballspiel. Deutsche Jugend spiele deutschen Fußball, übe deutschen Sport."

Die Knabenabteilung konnte nicht durchgängig unterhalten werden. Inflation und andere Schwierigkeiten mögen die Gründe dafür gewesen sein. Jedoch befindet sich im Protokoll der Monatsversammlung März 1932 der Hinweis, dass "der Verein gewillt ist eine Knaben-Abteilung zu gründen. Es hat sich schon ein kleiner Trupp Knaben gemeldet. Es kam zur Aussprache, dass auch die Knaben einen kleinen Monatbeitrag von 5 bis 10 Pfennig zahlen sollen, damit sie sich schon als Vereinsmitglieder fühlen sollen." Als Leiter der Knabenabteilung wird Herr Kienöl und ab Oktober 1932 Willy Winzer gewählt.

Das nebenstehenden Foto zeigt vermutlich diese Knabenabteilung Ende der 30iger Jahre mit dem Betreuer Sportfreund Kurt Lehmann (rechts) in der Turnhalle am Sportplatz. Wer erkennt auf diesem Bild einen seiner Vorfahren oder kann irgendwelche Angaben dazu machen.

Jürgen Schulze



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