Vor 90 Jahren: Herzberg am Anfang der Weimarer Republik

Elbe-Elster-Rundschau, Herzberg, 15.08.2009
Vor 90 Jahren: Herzberg am Anfang der Weimarer Republik
Von Februar bis August 1919 tagte in Weimar die Nationalversammlung und verabschiedete die Verfassung der ersten deutschen Republik. Am 11. August unterzeichnete der Reichspräsident die Verfassungsurkunde. Mit der "Weimarer Verfassung" wurde in Deutschland das parlamantarische Regierungssystem eingeführt. Dieser Jahrestag ist Anlass daran zu erinnern, wie Herzberg den Beginn dieser Zeit erlebte.
Knapp drei Wochen nach den Wahlen zur Nationalversammlung trat diese am 6. Februar 1919 in Weimar zusammen, da die Lage in Berlin nach den blutigen Ereignissen im Januar (Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts) politisch äußerst angespannt blieb. Die Hauptaufgabe der Nationalversammlung, die am 11. Februar den Sozialdemokraten Friedrich Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten wählte, war die Ausarbeitung einer demokratischen Verfassung für die junge Republik.
In diesen Tagen des Beginns der parlamentarischen Demokratie in Deutschland im Februar 1919 rüsteten sich die wahlberechtigten Frauen und Männer unserer engeren Heimat kurzfristig nun schon zum dritten Male zum Gang an die Wahlurnen. Nach den Wahlen zur Nationalversammlung und zur Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung sollten am Sonntag, dem 2. März 1919, die Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen gewählt werden.
Weniger Propaganda, weniger Wahlbeteiligung
Diese Wahlen, die im Abstand von nur einer Woche den Wahlen zur Nationalversammlung gefolgt waren, zeigten in Herzberg und im alten Kreis Schweiniz eine deutlich geringere Wahlbeteiligung. Auch die Wahlpropaganda war zurückgegangen. Allein die Deutschnationale Partei, die die Republik ablehnte und für die Wiedereinführung der Monarchie eintrat, hatte unablässig die nationalkonservative Trommel gerührt.
Das Herzberger Ergebnis der Preußenwahlen vom 26. Januar bestätigte die Entscheidung, die Herzbergs Wähler bei den Wahlen zur Nationalversammlung getroffen hatten. Dennoch gab es bemerkenswerte Veränderungen. Zwar blieb die Deutsche Demokratische Partei an der Spitze, büßte aber 200 Stimmen ein. Auch die USPD verlor Stimmen, hielt aber ihren zweiten Platz. Zugewinn verbuchte die SPD, die an dritter Stelle stand und die Deutschnationale Partei auf den vierten Platz verwies.
Starkes Bekenntnis zur Sozialdemokratie
Die beiden Wahlen im Januar 1919 hatten in unserer Stadt ein starkes Bekenntnis der arbeitenden Bevölkerung zur Sozialdemokratie offenbart. Aus Furcht vor einer sozialistischen Mehrheit in Herzbergs künftiger Stadtverordnetenversammlung schlug die in Herzberg starke Deutsche Demokratiche Partei, unterstützt vom Herzberger Bürgerverein, in einer Einwohnerversammlung am 3. Februar vor, in Herzberg auf einen erneuten Wahlkampf zu verzichten. Man sollte sich vielmehr darauf verständigen, dass die bisher zwölf Mitglieder umfassende Stadtverordnetenversammlung aus sieben Bürgerlichen und fünf Sozialdemokraten bestehen sollte. Inzwischen war aber die Zahl der zu wählenden Stadtverordneten auf 18 erhöht worden.
Herzbergs SPD und USPD lehnten diesen Plan ab. Sie antworteten für den nun bevorstehenden Wahlkampf mit einer gemeinsamen Liste, die die Namen von 18 Kandidaten, u. a. Richard König, Martha Seidel (erstmals auch eine Frau!), Max Seßler, Robert Klose, Karl Krause. Im Unterschied dazu vermochten sich die bürgerlichen Kräfte unserer Stadt nicht auf eine gemeinsame Position zu einigen.
Übereinstimmung gab es unter den bürgerlichen Parteien Herzbergs allein in dem Bestreben, eine sozialistische Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung zu verhindern. Ansonsten bewirkten wohl die programmatischen Unterschiede zwischen den bürgerlichen Parteien sowie unterschiedliche Einstellungen zu der neuen Republik, dass diese Parteien mit zwei verschiedenen Listen zur Wahl antraten.
Die Liste des Wahlvorschlags Max Nothing (ein angesehener Lehrer und Organist) enthielt 17 Namen bekannter Herzberger Bürger, wie z.B. Rudolf Schirrmeister, Otto Gundermann, Wilhelm Marx, Paul Prenz. Hauptsächlich handelte es sich um Mitglieder oder Sympathisanten der Deutschnationalen Partei, auch der Deutschen Volkspartei, die nach rechts tendierte, aber in Herzberg wenig vertreten war.
Wählerversammlung in letzter Minute
Der Wahlvorschlag des Kaufmanns Bruno Burckhardt enthielt neun Namen, darunter Karl Hausner, Arthur Otto, Max Badge. Politisch standen diese Bürger in der Hauptsache der Deutschen Demokratischen Partei nahe oder gehörten ihr an und verkörperten somit die eher kompromissbereite politische Mitte in Herzberg.
Gewählt wurde am Sonntag, dem 2. März 1919, wie bereits üblich, in zwei Stimmbezirken in den Wahllokalen "Goldene Sonne" und Rathaussaal. Bis zum letzten Tag hatten die bürgerlichen Pareien ihre gegen den sozialdemokratischen Wahlvorschlag gerichtete Propaganda betrieben. Gleichsam in letzter Minute, nur zwölf Stunden vor Öffnung der Wahllokale am Sonntagmorgen, veranstalteten sie jetzt gemeinsam am Sonnabend, dem 1. März, abends im Saal des Gasthofes "Siegeskranz" eine große bürgerliche Wählerversammlung.
Als man am Abend des Wahlsonntags die Stimmen auszählte, ergab sich, dass die Herzberger sich für neun bürgerliche und neun sozialdemokratische Stadtverordnete entschieden hatten. So war es also in Herzbergs erster Stadtverordnetenversammlung in der Weimarer Republik zu einem parlamentarischen Patt gekommen.
Wer übernahm alles Verantwortung?
Ältere Herzberger werden sich an Namen und Personen erinnern,die im Ergebnis dieser ersten demokratischen Kommunalwahlen in einer schwierigen Zeit für das Wohl und Wehe unserer Stadt Verantwortung übernahmen. Dazu gehörten von bürgerlicher Seite u.a. der Lehrer Max Nothing, der Buchdruckereibesitzer Rudolf Schirrmeister, der Apotheker Otto Gundermann, der Fabrikbesitzer Wilhelm Marx, der Kaufmann Bruno Burckhardt. Gewählte Stadtverordnete der sozialdemokratischen Liste waren u. a. Carl Görner (er hatte als Demokrat die Sozialdemokraten unterstützt), der Lagerhalter Richard König, der Schlosser Fritz Walter, der Pantinenmacher Karl Krause, der Zigarrenfabrikant Otto Schmidt und als erste Frau in der Herzberger Stadtverordnetenversammlung, die Ehefrau Martha Seidel.
Die erste Sitzung der neuen Stadtverordnetenversammlung fand am 11. März 1919 unter dem sozialdemokratischen Altersvorsitzenden Robert Klose statt. Stadtverordnetenvorsteher wurde Carl Görner, sein Stellvertreter Bruno Burckhardt, beide der Deutschen Demokratischen Partei angehörend bzw. ihr nahestehend. Für die Bewältigung kommunaler Aufgaben wurden zehn Kommissionen gebildet. Zu deren Mitgliedern wurden weitere Sachkundige berufen.
Die Kommunalwahlen vom 2. März 1919 waren für Herzberg nicht die letzten im ersten Jahr der ersten deutschen Republik, denn ihnen folgten noch die Kreistagswahlen.


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