Elbe-Elster-Rundschau,
Herzberg 18.11.2006
Herzberger haben dafür ihr Geld gegeben
Denkmäler sind Spuren der Geschichte, die in die Gegenwart hineingetragen
sind und uns mit der Vergangenheit konfrontieren. Sie sagen etwas aus
über die Zeit und die Ereignisse, denen sie gewidmet wurden.
Kaum beachtet, abgesehen von Graffiti-Sprayern, fristet das Denkmal im
Herzberger Park sein Dasein. Foto: privat
Folgt man ihrer Entstehungsgeschichte, gewähren sie Einblick in den
Geist und das Denken deren, die sie erreichen.
Wie es zum Denkmal im Park kam
Nahezu zwei Millionen Deutsche waren an den Fronten des Krieges von 1914
bis 1918 gestorben. Kein Krieg zuvor hatte bis dahin so vielen Herzbergern
das Leben gekostet wie dieser. Schon bald nach Kriegsende erörterte
man deshalb in Herzberg den Gedanken eines "Heldenhains" als
Erinnerungsstätte für die Kriegstoten.
Auf Einladung des Bürgermeisters Bautz kamen am Nachmittag des 25.
Oktober 1920 im Ratskeller die Vorstände der in Herzberg bestehenden
Vereine zu einer Besprechung zusammen. Der Verein der Kriegsbeschädigten
zeichnete dabei die ersten 100 Mark für das Vorhaben. Eine noch größere
Summe stellte die Berliner Landesmannschaft ehemaliger Herzberger in Aussicht.
Aber obwohl aus Vertretern der Stadtverordnetenversammlung und der Vereine
eine Kommission für die Errichtung einer Gedenkstätte gebildet
worden war, kam es vorerst nicht dazu. Politische, wirtschaftliche und
soziale Probleme der Zeit, besonders des Jahres 1923 mit dem Höhepunkt
der Inflation, verzögerten die Verwirklichung des Plans.
Inzwischen hatten sich die "riesigen vaterländischen Verbände"
zu einer "Arbeitsgemeinschaft" zusammengeschlossen, um den Gedenkstättenbau
voranzutreiben. Das in den betonierten Grund des späteren Denkmals
eingelassene Dokument nennt die zur Arbeitsgemeinschaft gehörenden
Vereine in dieser Reihenfolge: Schützengilde, Stahlhelm, Landwehrverein,
König Luise-Bund, Kreiskriegerverband des Kreises Schweinitz, Turn-
und Sportverein (Deutsche Turnerschaft), Evangelischer Männerverein,
Jugendgesangverein "Frohsinn" , Wehrwolf, Scharnhorst-Bund.
Das waren in der Mehrzahl politisch rechts orientierte Vereinigungen,
doch auch solche, die als unpolitisch galten, letztlich aber im zwiespaltigen
Verhältnis zur ungeliebten Republik standen. Unübersehbar ist,
dass sich das von allen verfolgte menschliche Anliegen mit einem politischen
Konservativismus verband, in den sich nationalistische und völkische
Verbindung mischte.
Grundsteinlegung und Einweihung
In einem feierlichen Gottesdienst waren am Sonntag, dem 6. September 1925,
in der Stadtkirche die von dem Herzberger Beigeordneten Paul Schlieben
gestifteten Gedächtnistafeln für die Kriegstoten eingeweiht
worden. Nur wenige Wochen später, am 4. Oktober, erfolgte die erste
Haussammlung für das Denkmal. Wohl die meisten Herzberger zeichneten
1925/26 einen Geldbetrag, der in Raten gezahlt wurde.
Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung sollte das Denkmal im Stadtpark
errichtet werden. Als im Sommer 1926 das Hochwasser auch den Park überschwemmte,
musste gewartet werden. Endlich konnte am 3. September der erste Spatenstich
für das Fundament getan werden. Bald war der Betonunterbau fertig,
so dass Magistrat und Arbeitsgemeinschaft die Herzberger Bevölkerung
zur Grundsteinlegung am 16. September um 18 Uhr einluden. In den Grund
des Denkmals wurde ein umfangreiches Dokument eingemauert, dessen Text
das "Schweitzer Kreisblatt" am Vortag der Denkmalsweihe veröffentlichte.
Unter der Überschrift "Gott schütze und segne Deutschland!"
reflektieren die Verfasser den Gang der deutschen Geschichte seit 1870/71
und das Leben in Herzberg während der Kriegs- und Nachkriegszeit.
In der Darstellung verknüpfen sich sachliche Betrachtungen mit Elementen
jener weiter oben charakterisierten weltanschaulichen Sichtweiten. Es
wird die Entscheidungsgeschichte des Denkmals skizziert und am Schluss
"die rechte Lehre...aus den Geschehnissen der Vergangenheit"
gezogen. Sie bestand nach Ansicht der Autoren darin, "dass wahre
Volkswohlfahrt nur errungen werden kann durch treue Vaterlandsliebe, durch
Einigkeit und Zusammenschluss aller Volksgenossen" , weil "alle
eines Volkes Kinder sind" . Wäre nicht an der Stelle ein Wort
der Verurteilung des Krieges als Mittel der Politik angemessen gewesen"
Man vermisst es ebenso wie den Begriff "Frieden" .
Im Grundsätzlichen treffen diese Feststellungen auch auf den Inhalt
der Feier zur Weihe des Denkmals zu. Es war eine bewegende Demonstration
öffentlicher und allgemeiner Trauer, die am Sonntag, dem 17. Oktober
1926, das Leben in Herzberg vom Vormittagsgottesdienst in der geschmückten
Stadtkirche an bis zur Enthüllung des Denkmals am Nachmittag im Stadtpark
bestimmte. Für die Hinterbliebenen waren es mit Sicherheit schwere
Stunden eines erneuerten tiefen Schmerzes, in den sich die bohrende Frage
nach dem Sinn des Sterbens ihrer Lieben auf fremdem Boden mischen mochte.
Warum" Wofür" Es ist fraglich, ob die toten Soldaten, die
"Gefallenen" , mit der im "Kreisblatt" und in den
Reden bei der Denkmalseinweihung vorgenommen Sinngebung ihres Todes einverstanden
gewesen wären: "...nicht umsonst gefallen." "Freudig
starben unsere Toten für uns" . Hätten sie nicht lieber
leben wollen"
Das von Superintendent Schmöcker unter Glockengeläut enthüllte
und von Bürgermeister Sourell "in den Schutz der Stadt"
übernommene Denkmal trägt die Namen und die Todesdaten von 191
Herzbergern, deren Leben die "mörderischen Schlachten"
des bis dahin "schrecklichsten aller Kriege" auslöschte,
wie es im Grundsteindokument heißt. Das Herzberger Kriegerdenkmal
gehört in seiner Gestaltung nicht zu jenen martialischen Monumenten,
denen mancherorts zu begegnen ist. Entworfen von dem Architekten Karl
Stahlberg und ausgeführt in schlesischem Granit, beeindruckt es in
seiner Schlichtheit noch heute.
Und die Jahre danach?
Am Totensonntag vor 80 Jahren, am 21. November 1926, war das neue Kriegerdenkmal
das Ziel zahlreicher trauender Herzberger. Seit dem darauf folgenden Jahr
stand das Denkmal im Mittelpunkt des 1925 eingeführten und damals
am fünften Sonntag vor Ostern begangenen "Volkstrauertags"
. Aus diesem wurde nach dem 30. Januar 1933 ein "Heldengedenktag"
, der unter dem Hakenkreuz auch vor dem Herzberger Denkmal erstmals am
25. Februar 1934 zelebriert wurde. 1939 ordnete Hitler an, den Heldengedenktag
jeweils auf den 16. März, den Jahrestag der Wiedereinführung
der Wehrpflicht, zu legen.
In den Jahren der DDR blieb das Denkmal unangetastet. Nach der Wende befassten
sich wenige Publikationen nahezu ausschließlich unter kulturhistorischen
Aspekten mit ihm. Ein öffentliches Nachdenken ohne Pathos und ohne
Heldentümelei darüber, was mit dem Denkmal geschehen könnte,
ist bislang offenbar zu vermissen. Das Denkmal wurde in hässlicher
Weise besprüht. Die Inschriften drohen zu verblassen.
Ohne in einen Denkmalkult zu verfallen, verdient das vor genau 80 Jahren
im Stadtpark hauptsächlich aus Mitteln der damaligen und ehemaligen
Herzberger Einwohner errichtete Denkmal einen ebensolchen Platz in der
städtischen Erinnerungskultur wie das Bismarckdenkmal und die "Germania"
.
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