Als Friedrich II. den "sächsischen Mehlsack" ausstaubte

Elbe-Elster-Rundschau, Herzberg 04.11.2006
Als Friedrich II. den "sächsischen Mehlsack" ausstaubte
Herzberg. Mitten im Frieden und ohne Kriegserklärung fiel Friedrich II., der häufig schon damals als "der Große" bezeichnet wurde, mit seiner Armee am 29. August 1756 in Sachsen ein.
In dem damit beginnenden Krieg, den man später den "Siebenjährigen" nannte, hatte der Preußenkönig dem Nachbarland Sachsen die Rolle einer militärischen Operationsbasis gegen Österreich und eines Ausbeutungsobjekts zur ökonomisch-finanziellen Sicherung seiner Kriegführung zugedacht Schon am 30. August quartierte sich ein preußisches Bataillon in Herzberg ein. Die Einwohner unserer im Norden des sächsischen Kurfürstentums nahe an Preußen gelegenen Stadt mochte bei dieser ersten Begegnung mit den preußischen Söldnern wohl eine bösen Ahnung davon beschlichen haben, was ihnen in den folgenden Kriegsjahren noch bevorstehen sollte. Wie in ganz Sachsen, so handelten Friedrichs Truppen von Anfang an in unserer Heimat nach des Königs Auffassung: "Sachsen ist wie ein Mehlsack. Man mag darauf schlagen, so oft man will, so kommt immer etwas heraus" .

Wie es überhaupt zum Siebenjährigen Krieg kam
Die habsburgische Herrscherin Maria Theresia hatte nie den Verlust des bis 1740 zu Österreich gehörenden Schlesiens an Preußen hingenommen. Eine Gelegenheit, die wirtschaftlich weit entwickelte Provinz zurückzugewinnen, kündigte sich an, als sich der Machtkampf zwischen Großbritannien und Frankreich um die Vorherrschaft in Nordamerika, in Indien und auf den Weltmeeren zuspitzte und Preußen an die Seite Großbritanniens trat. Österreich verbündete sich nun mit Frankreich, Rußland und Schweden. Dieser antipreußischen Koalition schlossen sich Sachsen und andere deutsche Territorialstaaten an. Der von Friedrich II. mit dem Oberfall auf Sachsen begonnene Krieg gegen Österreich um die Sicherung der schlesischen Eroberungen und Großmachtstellung Preußens wurde somit zu einem großen Krieg in Europa eingebettet in die globalen britisch-französischen Auseinandersetzungen.

Als der Große Friedrich in Grochwitz logierte
Unsere Vorfahren erlebten einen ruhigen Winter 1756/57, denn die Preußen waren weitergezogen und hatten bei Pirna die sächsischen Regimenter zur Kapitulation gezwungen. Als Friedrich im Frühjahr 1757 von dem eroberten Sachsen aus in Böhmen einbrach, erlitt er bei Kolin eine schwere Niederlage, die ihn zum Rückzug nach Sachsen zwang. Im Herbst des Jahres finden wir Friedrich II. in unserer Gegend, wo er kurzes Quartier im Annaburger Schloß nahm. Je ein Bataillon seiner Garde legte er in Rahnisdorf und Grochwitz in die Besitzungen des von ihm mit besonderem Hass bedachten sächsischen Premierministers Heinrich Graf von Brühl. Von Annaburg kommend, bezog der König vom 20. bis 24. Oktober im Grochwitzer Schloß Quartier. Die Brühlschen Güter gab Friedrich zur Plünderung frei, deren Verlauf und Ausmaß Karl Pallas in seiner "Geschichte der Stadt Herzberg" anschaulich beschreibt. Ein Jahr später, als im September 1758 preußische Husaren nach Herzberg kamen, ging das bereits ausgeplünderte Schloss in Flammen auf.
Wie schwer in den Oktobertagen 1757, als Friedrich in Grochwitz weilte, Herzberg zu leiden hatte, ist einer zeitgenössischen Quelle zu entnehmen, in der es heißt: "... unsere arme und durch Märsche und Einquartierungen bereits ausgemergelte und ... in diesem Jahr halb abgebrannte Stadt (wurde) durch drey Bataillons Preuß. Truppen ... und 800 Artillerie-Pferde 4 1/2 Tag ... gleich sam überschwemmt, über Gebühr belegt und zu kostbarer Verpflegung derer Soldaten mit aller Schärfe angehalten, hierüber auch alle Scheunen eröffnet und mit Pferdten angefüllet ..." Aber nicht nur preußische, auch österreichische Truppen suchten in diesem Jahr wie auch in den folgenden Herzberg und seine Umgebung heim.

Wie der Krieg letztlich den Krieg ernährte
In Herzberg kreuzen sich die Bundesstraßen 87 und 101, damals zwei große Heerstraßen. Was Wunder, wenn die an diesen Straßen und in ihrer Umgebung gelegenen Städte und Dörfer den Belastungen und Bedrückungen durchmarschierender und Quartier nehmender Soldaten aller Kriegsparteien besonders ausgesetzt waren. Was zwischen 1756 und 1763 für alle betroffenen größeren und kleineren Orte der Heimat galt, was sich je nach Kriegslage zuweilen abschwächte, dann wiederum krass verstärkte, sich aber stets wiederholte, hat vor über einem halben Jahrhundert der Heimatforscher Albert Vögler geschildert. Einiges davon sei hier wiedergegeben:
"Da waren Lieferungen an Korn, Mehl, Hafer, Brot, lebendem Vieh, Bier, Seilerwaren, Lichtern und dergl. ... Bei geringstem Verzuge war Exekution da, Husarenkommandos in Stärke von 6 bis 10 Mann ... Und die Husaren wirtschafteten böse, sie kannten kein Erbarmen ... Dann die vielen Einquartierungen von kleineren Truppenverbänden, die meist nur Nachtquartier bezogen, aber auch öfter längere Zeit blieben ... Aus der Mahdeler Heide mussten starke Bäume nach Torgau gefahren werden, selbst bis Dresden gingen Wagen mit Holz zum Palisadenbau. Ein Bauer aus Altherzberg mußte sogar Vorspann nach Böhmen leisten."
Friedrich II. hat Sachsen wie eine eroberte Provinz behandelt und dem besiegten Land forlaufend hohe Kontributionen (Kriegssteuern) auferlegt.

Großes Aufatmen, denn endlich war wieder Frieden
Eine der letzten und blutigsten Schlachten des Siebenjährigen Krieges wurde gar nicht weit von Herzberg geschlagen: Die Schlacht bei Torgau, die am 3. November 1760 unter großen Verlusten zwar für Preußen entschieden wurde, aber nichts an der misslichen Gesamtlage Preußens änderte. Gerettet wurde Friedrich durch das "Mirakel des Hauses Brandenburg" , denn nach dem Tod der Zarin Elisabeth beendete ihr preußenfreundlicher Nachfolger 1762 den Krieg gegen Preußen, der letztlich an der Erschöpfung aller beteiligten Mächte erstarb. In Hubertusburg, dem bei Wermsdorf in der Nähe von Oschatz gelegenen Jagdschloß der sächsischen Kurfürsten, wurde am 15. Februar 1763 der diplomatische Schlusspunkt unter den Siebenjährigen Krieg gesetzt.
Der Hubertusburger Frieden bestätigte Preußen den Besitz Schlesiens und unterstrich Preußens Rolle als eine europäische Großmacht. Freude und Erleichterung haben die damaligen Herzberger über diesen Friedensschluss empfunden. Der Ausdruck ihrer Gedanken und Gefühle blieb über die Jahrhunderte hinweg sichtbar in dem Altar unserer Stadtkirche St. Marien. Gestiftet von der Stadt- und Kirchengemeinde Herzberg, ausgeführt von einem Torgauer Bildhauer und Zimmermann und eingeweiht am 11. August 1765, kündet er dem heutigen Besucher von St. Marien mit einem Vers auf der Rückseite von jener Zeit und ihren Nöten: "Theurer Heiland, da dein Walten. Uns im Kriege so erhalten, daß des Feindes schwere Hand. Kirch und Stadt nicht abgebrannt, da in sieben schweren Jahren. Wir dein Wirken wohl erfahren, weihn, erlöset aus Gefahr, dir wir diesen Dankaltar..." .


Dies und Das