Als Walter Sourell Herzberger Bürgermeister war

Elbe-Elster-Rundschau, Herzberg 22.07.2006
Als Walter Sourell Herzberger Bürgermeister war
Bürgermeister als oberste Repräsentanten einer Stadt und Leiter ihrer Verwaltung haben seit eh und je mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Wissen und Können die Geschicke eines städtischen Gemeinwesens nachhaltig beeinflusst. Die Geschichte unserer Heimatstädte ist über Jahrhunderte hinweg bis auf den heutigen Tag auch die Geschichte des Wirkens ihrer Bürgermeister. Für den städtischen Fortschritt Herzbergs auf vielen Gebieten in der zweiten Hälfte der Weimarer Republik steht der Name Walter Sourell, Bürgermeister der Stadt von 1926 bis 1933. An ihn erinnert auf dem Herzberger Friedhof ein beeindruckendes Grabmal. Der Zufall wollte es, dass ich dort vor dem Totensonntag 2005 dem 78-jährigen Sohn des einstigen Bürgermeisters, Herrn Bernhardt Sourell, und seiner Ehefrau begegnete. Ihm verdanke ich viele familiengeschichtliche Mitteilungen über das Leben und Wirken seines Vaters.

Walter Sourell.Die letzte Ruhestädte des ehemaligen Bürgermeisters ist noch heute auf dem Herzberger Friedhof zu finden. Foto: Diere

Wer war Walter Sourell?
Er war ein Kind unserer Heimat im weiteren Sinne, denn geboren wurde Walter Sourell am 27. September 1898 in Merseburg, seinerzeit Zentrum eines gleichnamigen Regierungsbezirks in der preußischen Provinz Sachsen. Unsere engere Heimat, der damalige Kreis Schweinitz mit seiner Kreisstadt Herzberg, war ein Bestandteil dieser bis 1945 bestehenden staatlichen Verwaltungsstrukturen.
Walter Sourell, Sohn des Bürovorstehers Sourell, besuchte von 1908 bis 1915 das renommierte Merseburger Domgymnasium. Er verließ es mit dem Zeugnis der mittleren Reife, um sich der Beamtenlaufbahn zu widmen. Eine als Kind erlittene Augenverletzung bewahrte den damals Siebzehnjährigen vor den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges.
Nach dem Besuch von Verwaltungsschulen avancierte Walter Sourell bereits in jungen Jahren zum preußischen Beamten. Es unterstreicht seine fachliche Qualifikation, dass er, für die damalige Zeit außergewöhnlich, mit knapp 23 Jahren kommissarischer Bürgermeister in Hohenmölsen im Kreis Weißenfeld wurde. Dort lernte er Thea Kretzschmar kennen, Tochter eines Baustoff- und Getreidehändlers, die er bald darauf heiratete.
Ab Sommer 1923 finden wir das junge Ehepaar in Prettin, dem gar nicht weit von Herzberg entfernten Städtchen an der Elbe, dessen Stadtverordnete in dem von politischen Krisen und der Inflation geschüttelten Jahr Walter Sourell zum Bürgermeister gewählt hatten. Als der erfolgreiche und ehrgeizige Leiter der Prettiner Stadtverwaltung im Herbst 1925 von der frei werdenden Bürgermeisterstelle in Herzberg hörte, bewarb er sich um sie.

Die Wahl zum Bürgermeister
An der Spitze der Herzberger Stadtverwaltung stand 1925 seit neun Jahren der allseits geschätzte und beliebte Bürgermeister Bautz. Als ihn am 31. August 1925 die Stadtverordnetenversammlung von Hoyerswerda einstimmig zum dortigen Bürgermeister wählte, wusste man in Herzberg, wie schwer es sein würde, einen ebenbürtigen Nachfolger zu finden.
In der öffentlichen Ausschreibung der Stelle des Herzberger Bürgermeisters vom 18. September 1925 hieß es deswegen: "Bewerber mit umfassender Erfahrung auf kommunalem Gebiet, aber auch nur solche..." , werden zur "ausführlichen Bewerbung" bis zum 20. Oktober aufgefordert. Zehn Tage vor Ablauf dieser Frist lagen bereits 100(!) Bewerbungen im Herzberger Rathaus vor.
In der Stadtverordnetenversammlung vom 13. November 1925 wurde mitgeteilt, dass sich für die vakante Stelle des Bürgermeisters 169(!) Bewerber gemeldet hatten und die Kommission zur Sichtung der Bewerbungen eine "Reihe von Herren in die engere Wahl gezogen" hatte. Das waren neben Walter Sourell drei weitere, offenbar bewährte Kommunalpolitiker, die sich in der zweiten Hälfte des Monats Januar 1926 der Kommission persönlich vorstellten.
Für die endgültige Wahl in der Stadtverordnetenversammlung am Abend des 5. Februar 1926 verblieben die Gerberstädter Bürgermeister Max Sonnenberg (vier Stimmen) und Walter Sourell, für den zehn Stadtverordnete für eine Amtszeit von zwölf Jahren stimmten.

Das Stadtoberhaupt
Walter Sourell war der letzte demokratisch gewählte Herzberger Bürgermeister vor der Errichtung der faschistischen Diktatur am 30. Januar 1933. In sein Amt eingeführt und verpflichtet wurde er im Auftrag des Merseburger Regierungspräsidenten von Landrat Dr. Niese in einem feierlichen Akt am Nachmittag des 15. März 1926 im Stadtverordneten-Sitzungszimmer des Rathauses.
Knapp fünf Jahre später finden wir im Dezember 1930 in der Jubiläumsausgabe des "Schweinitzer Kreisblattes" anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Zeitung seit 1831 einen umfangreichen Artikel von Walter Sourell über "Herzberg in den letzten 100 Jahren" . Man spürt beim Lesen dieser Zeilen noch heute, wie stark sich der inzwischen überall anerkannte und hoch geachtete Bürgermeister mit Herzberg und seinen Einwohnern verbunden fühlte und wie sehr er sich mit der Geschichte der Stadt und ihrer von ihm maßgeblich beeinflussten Gegenwart identifizierte. Walter Sourell konnte stolz sein auf das, was unter seiner Leitung in einer wirtschaftlich und politisch immer schwieriger und komplizierter werdenden Zeit für die Herzberger geschaffen wurde.

Erfolge in schwerer Zeit
Es unterstreicht das soziale Verantwortungsbewusstsein Walter Sourells, wenn sein besonderes Augenmerk der Linderung der in Herzberg erheblichen Wohnungsnot und den Verhältnissen der sozial Schwachen und der Arbeitslosen galt. Zu seinen Verdiensten gehört, dass die Stadtverwaltung durch Aufstellung eines Stadterweiterungsplans sowie von Bebauungsplänen und durch die Vergabe billigen Baulandes, zum Beispiel 10 Pfennige pro Quadratmeter für Baustellen in der Katharinenstraße im Jahre 1927, den Wohnungsbau förderte. Diesem Ziel diente auch die von Walter Sourell initiierte Gründung der gemeinnützigen Baugenossenschaft für Herzberg und Umgebung, in deren Aufsichtsrat er den Vorsitz führte und von deren Arbeit noch immer Häuser in der heutigen Richard-König-Straße sowie in den nach Albrecht Dürer, Friedrich Schiller und dem Herzberger Arzt Dr. Franz benannten Straßen zeugen.
Die auch in Herzberg in den Jahren der Weltwirtschaftskrise am Ende der 20er und der beginnenden 30er Jahre rasch anwachsende Arbeitslosigkeit und deren Folgen suchte Walter Sourell über Notstandsarbeiten wenigstens zu lindern. Vom Bürgermeister überlegt und gezielt genutzt, wurden damit zugleich für die Stadt nützliche Vorhaben verwirklicht, die zum Teil noch heute Herzbergs Bürgern dienen. Beispielhaft dafür sind die Neupflasterung und Kanalisierung der Magisterstraße sowie die Kanalisierung der heutigen Rosa-Luxemburg-Straße (Bodenhausenstraße), der Lausitzer und der Schliebener Straße.
Wir vermögen nicht jede einzelne Leistung des Bürgermeisters Sourell zu würdigen, doch wenigstens genannt werden soll, was davon noch heute in Herzberg wahrnehmbar ist.
Wer weiß wohl heute noch, dass die im Jahre 1928 errichtete und seinerzeit hoch moderne Turnhalle mit dem davor liegenden Sportplatz auf Walter Sourells Initiative entstand" Walter Sourell liebte den Herzberger Stadtpark, den das Sommerhochwasser des Jahres 1926 arg verwüstete. Er sorgte als Bürgermeister und Vorsitzender des Herzberger Verschönerungsvereins für eine umfangreiche Neugestaltung der Anlagen.
Auch das Philipp-Melanchthon-Gymnasium hat einen indirekten Bezug zu Walter Sourells Wirken, basiert es doch auf der früheren Herzberger Erweiterten Oberschule, die ihrerseits in der Tradition der am 1. April 1925 eröffneten Mittelschule stand. An deren Förderung ebenso wie am Ausbau der Volks- und der Berufsschule hatte Walter Sourell einen hohen persönlichen Anteil.
Für die Herzberger unserer Tage gilt ein modernes Freibad in unserer Stadt als selbstverständlich. Wer aber denkt noch an den bei Jung und Alt äußerst beliebten Vorgänger des jetzigen Bades? Bürgermeister Sourell war es zu verdanken, dass Herzbergs Einwohner 1927/28 über Notstandsarbeiten großen Umfangs auf den Katzenstegwiesen in landschaftlich schöner Umgebung ein Sommerbad erhielten.
Es verdient zumindest Erwähnung, dass zu Sourells unermüdlicher Arbeit für die Stadt und ihre Menschen auch seine Tätigkeit im Kuratorium der Kreissparkasse gehörte. Gute Beziehungen zur Kirche hat das Stadtoberhaupt als Mitglied des Gemeindekirchenrats gepflegt.

Der frühe Tod
Bürgermeister Sourell hat seine Kräfte nie geschont. Ein langjähriges Nierenleiden warf ihn Anfang 1933 auf das Krankenlager, von dem er sich nicht wieder erheben sollte. Walter Sourell erlag der tückischen Krankheit in den späten Nachmittagsstunden des 24. April 1933. Seine Beisetzung am Nachmittag des 27. April auf dem Herzberger Friedhof war eine erhebende und würdige Kundgebung der Trauer einer Stadt um ihren toten Bürgermeister. Wohl selten ist ein Bürger Herzbergs so geehrt worden.
Einem Zeitungsbericht über die Beisetzungsfeierlichkeiten entnehmen wir, dass danach zahlreiche Einwohner das Grab aufsuchten, "um auf diese Weise von einem Manne Abschied zu nehmen, der für jeden einzelnen Bürger seiner Stadt ein warmes Herz und ein offenes Ohr hatte." Landrat Dr. Niese sagte an Walter Sourells Ruhestätte: "Der Geist des Mannes, um den wir heute trauern, wird für alle Zeiten in Herzberg lebendig sein."
Genau 80 Jahre sind vergangen, seit Walter Sourell als Bürgermeister in das Herzberger Rathaus einzog. Wir nehmen das zum Anlass, um im Sinne der Worte des damaligen Landrats die heutigen Herzberger an Walter Sourell zu erinnern.


Dies und Das